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Information zur „ForuM-Studie“ – sexueller Missbrauch in der Evangelischen Kirche

Der Beitrag wurde am 04.02.2024 in der Sendung "Himmel und Erde" auf Radio Leverkusen gesendet.

Die Studie wurde am 25.01.2024 vorgestellt, sie ist ein unabhängiges Projekt, das Gefährdungskonstellationen für sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche analysiert hat.

„Nun ist auf dem Tisch, was auf den Tisch gehört. Die Erkenntnisse sind für uns erschütternd und beschämend. Viele Menschen haben in Gemeinden und diakonischen Einrichtungen durch haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende schweres Leid erfahren. Menschen haben sexualisierte Gewalt, übergriffiges und grenzverletzendes Verhalten durch Personen erlebt, denen sie vertraut haben.
Die hohe Zahl an Betroffenen steht für erfahrenes Leid und grundlegendes Versagen evangelischer Kirche. Wir haben Menschen nicht ausreichend geschützt. Wir haben durch strukturelles Handeln Personen nicht gehört, machtvoll unterdrückt oder ausgegrenzt“, sagt Superintendent Bernd-Ekkehart Scholten.

In die wissenschaftliche Studie wurden Fälle und Meldungen von Pfarrpersonen einbezogen sowie von Mitarbeitenden in den Heimen der Diakonischen Werke. Die Wissenschaftler haben neben der Erhebung von Zahlen mit Betroffenen gesprochen, ihre Perspektive kommt in der Studie zur Geltung. Danach wurden 2.225 Menschen  missbraucht, insgesamt soll es 1.259 Beschuldigte geben. Ein Drittel der Beschuldigten sollen Pfarrpersonen sein, also Pfarrerinnen und Pfarrer oder  Vikarinnen und Vikare, wobei es sich fast ausschließlich um Männer handele (99,6 Prozent).

2020 wurde die Studie von der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) auf den Weg gebracht, alle 20 Landeskirchen stimmten für eine entsprechende Untersuchung. Ein Streitpunkt ist der Zugang zu den Daten (Personalakten/Disziplinarakten).
In einem weiteren Schritt wird eine regionale Aufarbeitung mit den Daten aus Kirchenkreisen und -gemeinden erfolgen.

Für die evangelische Kirche in Leverkusen bedeutet dies nach Ansicht des Superintendenten, die Studie sorgfältig wahrzunehmen, die gebotenen Konsequenzen zu ziehen und aufmerksam Strukturen, Abläufe und kirchlichen Gewohnheiten zu überprüfen. Es geltet, die Vergangenheit konsequent aufzuarbeiten. Es bleibe zentral, Menschen aller Generationen einen sicheren Ort zu bieten, sie zu schützen.
„Das bedeutet für uns, zu sehen, wo es blinde Flecken gab und gibt. Durch die Präventionsarbeit werden wir weiterhin Menschen sensibilisieren. Prävention vor sexualisierter Gewalt ist kein Expert*innen-Thema; alle, die in der Kirche haupt- oder ehrenamtlich mitarbeiten, werden diesbezüglich geschult.“

Für Mitarbeitende in unserer Kirche und evangelische Christinnen und Christen stelle dies viel in Frage. „Unser Selbstbild als eine Gemeinschaft, die ein sicherer Begegnungsraum für ganz verschiedene Menschen sein soll, ist so nicht haltbar. Dabei ist doch gerade dies Ausdrucks unseres Glaubens und Antrieb für unseren Dienst. Echter Kontakt und vertrauensvolle Beziehung sind bleibendes Ziel und notwendige Gestalt von Gemeinde. Dies zu leben mit wachsamem Blick ist unsere Aufgabe“, so der Superintendent.

Konkret bedeutet dies die Mitwirkung im Rahmen einer nun anstehenden regionalen Aufarbeitungsstudie, gemeinsam verantwortet von der Rheinischen, Westfälischen und Lippischen Landeskirche sowie der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Hier werde auch die Prüfung der Personalakten vorzusehen sein. Der Kirchenkreis Leverkusen, der bisher noch nicht angefragt war, werde sich dabei klärend einbringen. Außerdem werden wir weiterhin die aktive Präventions- und Schulungsarbeit fortführen.

Hinschauen – Helfen – Handeln …genau das macht den Unterschied!

Die Synode des Kirchenkreises Leverkusen hat 2021 einstimmig ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt beschlossen. Neben dem Kirchenkreis haben alle Kirchengemeinden ein Konzept, das mit einer Risikoanalyse die Besonderheiten vor Ort berücksichtigt.

Mit mehreren Bausteinen soll strukturell abgesichert werden, dass Täter*innen möglichst keine Chance haben. Alle Hauptamtlichen müssen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Die Presbyterien legen vor Ort fest, in welchen Arbeitsbereichen Ehrenamtliche ein Führungszeugnis vorlegen müssen, etwa in der Kinder- und Jugendarbeit oder auch Seelsorge. Ausnahmen können beispielsweise für Gemeindebrief-Verteiler*innen gelten.

Es gibt eine Verpflichtung für alle Mitarbeitenden zur Meldung von Verdachtsfällen und ein klar festgelegtes Verfahren regelt, wie mit Vorwürfen umgegangen wird. Beim Verdacht strafrechtlicher Verfehlungen gegen Minderjährige wird eine Anzeige gestellt, somit sind dann die staatlichen Ermittlungsbehörden eingeschaltet.

Präventionsschulungen

Zentraler Bestandteil des Schutzkonzeptes sind Präventionsschulungen, sie sind breit angelegt, denn sie umfassen alle Mitarbeitenden – berufliche wie ehrenamtliche in Kirchengemeinden, synodalen Werken und Arbeitsfeldern. Seit Januar 2023 arbeiten Sabine Rauh und Daniel Lünenschloß als Präventionsteam im Kirchenkreis Leverkusen mit der Aufgabe, alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen im Thema „Prävention vor sexualisierter Gewalt“ zu schulen.

Ziel der Präventionsschulungen: eine Kultur der Achtsamkeit zu entwickeln.
Die Schulungen sollen dafür sensibilisieren, eigene und andere Grenzen zu erkennen und zu respektieren. Darüber hinaus geht es darum, wahrzunehmen und sich zu äußern, wenn eine Person sich unwohl fühlt. Die Schulungen vermitteln Orientierung und Handlungssicherheit, Rückmeldungen von Betroffenen sollen ernst genommen werden und Hilfe und Unterstützung angeboten werden.

Darüber hinaus gibt es Stellen, an die sich Betroffene wenden können:

  • Vertrauenspersonen im Kirchenkreis:

Die Vertrauenspersonen helfen Betroffenen und Ratsuchenden, sie unterstützen und begleiten in sensiblen Situationen. Sie wissen Rat und vermitteln weiter beim Thema sexualisierte Gewalt. Sie fungieren als Anlaufstelle für Betroffene, Angehörige und Mitarbeitende, wenn ein Verdacht aufkommt, dass es um sexualisierte Gewalt gehen könnte. Die Vertrauenspersonen handeln streng vertraulich.

https://www.kirchenkreis-leverkusen.de/fileadmin/user_upload/jugendwerk/Schutzkonzept/A5-Kontakt-KKR-Leverkusen-RZ02.pdf
 

  • Ansprechpartnerin für Betroffene:

    Es kann auch sein, dass jemand sich nicht an kirchliche Mitarbeitende im Kirchenkreis wenden möchte, dann gibt es bei der EKiR eine Ansprechstelle.
    Die Ansprechpartnerin für Betroffene behandelt alle Mitteilungen und Nachfragen streng vertraulich. Nur auf Wunsch der Betroffenen leitet sie Anschuldigungen an die zuständige Stelle weiter. Ausschließlich Informationen, die den Verdacht einer Straftat gegen Kinder und Jugendliche begründen, werden auf jeden Fall an die ermittelnde Juristin weiter geleitet.
    Claudia Paul, Ansprechpartnerin für Betroffene
    https://ansprechstelle.ekir.de/
  • Zentrale Anlaufstelle help

    Außerdem wurde die Zentrale Anlaufstelle.help (https://www.anlaufstelle.help/) einrichtet. Sie richtet sich ebenfalls an Betroffene, ihre Angehörigen und Bekannten, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende sowie Zeugen und Zeuginnen von sexualisierter Gewalt innerhalb der evangelischen Kirche oder der Diakonie. Dieses Unterstützungsangebot wird von einer unabhängigen Fachberatungsstelle durchgeführt