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„Kirche darf nicht um sich selbst kreisen“

Die Delegation aus Leverkusen: Sandra Fliß, Meike Hübner, Dr. Andrea Gorres, Kirsten Schwenke, Bernd-Ekkehart Scholten (von li. nach re.; Foto: Ursula Witzel)

Steigendes Haushaltsdefizit und weniger Mitglieder: Die Synode der rheinischen Kirche hat Anfang Februar über Einschnitte und Veränderungen beraten, um sich für die Zukunft aufzustellen.

Die Evangelische Kirche im Rheinland steht nach den Worten ihres leitenden Theologen Thorsten Latzel angesichts massiver Sparzwänge vor einer Neugestaltung. Um weiter für andere da zu sein, müsse die zweitgrößte deutsche Landeskirche relevant für die Menschen und flexibel in den Formen sein, sagte der Präses in seinem jährlichen Bericht vor der rheinischen Landessynode. Sie wurde am Sonntag (02.02.2025) mit einem Gottesdienst eröffnet und tagte bis Freitag (07.02.2025) in Bonn. Im Auftaktgottesdienst rief Vizepräses Christoph Pistorius dazu auf, Neues zu wagen und sich weder von schwindenden Ressourcen noch von Anfragen an die Relevanz der Kirche für die Gesellschaft entmutigen zu lassen. Die Kirche dürfe nicht um sich selbst kreisen.

Schmerzhafte Einsparungen

Das Kirchenparlament der 2,1 Millionen rheinischen Protestanten hat in dieser Woche mit großer Mehrheit einen Prozess zu Einsparungen auf den Weg gebracht. Um das Ziel zu erreichen, wird auch ein Abschied von wertvollen Arbeitsfeldern nötig werden. Die Ausgaben im landeskirchlichen Haushalt sollen bis 2030 um gut ein Fünftel reduziert werden. Dazu soll auch der Umbau der Kirchlichen Hochschule Wuppertal (KiHo) zu einem theologischen Bildungscampus helfen. Präses Latzel nannte das neue Konzept auch eine Reaktion auf „die Bildungsherausforderungen unserer Zeit“. Auch Ehrenamtliche benötigten mehr theologische Bildung, was der Campus künftig anbieten könne. Weil das Konzept der Landeskirche kein theologisches Studium mehr vorsieht, protestierten Studierende der KiHo in Bonn.

Vizepräses Antje Menn

Mit großer Mehrheit wählte die Synode Antje Menn für die kommenden acht Jahre zur neuen Vizepräses und Leiterin der Personalabteilung im Landeskirchenamt. Die 51-jährige Theologin wird damit auch Oberkirchenrätin und hauptamtliches Mitglied der Kirchenleitung. Menn ist seit 2020 Superintendentin des Leverkusener Nachbarkirchenkreises Lennep und seit 2023 Vorsitzende des Theologischen Ausschusses der Landeskirche. „Es ist eine gute Entscheidung und ich freue mich für Frau Menn und unsere Kirche“, sagt Superintendent Bernd-Ekkehart Scholten. „Gleichzeitig bedaure ich, dass die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Frau Menn hier vor Ort und in den laufenden Prozessen endet.“

Thema "Rassismus"

Ein Thema, für das sich die Synode besonders viel Zeit nahm, war das Thema "Rassismus". Die Vertretung der evangelischen Jugend hatte das Thema vorgeschlagen. Jede Gemeinde müsse sich hinterfragen: Fühlen wir uns nur einladend oder sind wir es wirklich? Nach einem Impulsvortrag des Bielefelder Rassismusforschers Prof. Dr. Paul Mecheril gab es kleine Dialoggruppen. Darin sprachen Synodale sowie Gäste von der evangelischen Jugend darüber, welche Erfahrungen sie selbst mit Rassismus haben und welche Veränderungen in der Kirche nötig wären, um rassismussensibler zu werden.  „Veränderungen sind notwendig. Und nicht etwa, weil eine „Polizei für angemessenes Verhalten“ im Raum ist, sondern weil wir als Kirche unsere Offenheit und Sensibilität stärken wollen, um zu lernen und zu verstehen“, so Bernd-Ekkehart Scholten.

Kritik an aktueller Migrationsdebatte

In seinem Jahresbericht an die Landessynode am Montag übte Präses Thorsten Latzel heftige Kritik an der Instrumentalisierung der Anschläge von Aschaffenburg, Magdeburg und Solingen zur Legitimation von Asylverschärfungen. „Eine notwendige Sicherheitsdebatte wird hier in unseliger Weise auf Kosten von Menschenrechten und gelungener Integration geführt“, sagte er und forderte eine Versachlichung der Debatte. Migration sei „nicht die Mutter aller Probleme“ und Asyl „kein Thema für einen politischen Überbietungswettbewerb im Wahlkampf“.
Die Demokratie sieht Latzel derzeit durch Krieg, Wirtschaftskrise, gezielte Fake News und Extremismus unter einer der stärksten Belastungen seit der NS-Zeit. Soziale Medien „im Privatbesitz populistischer Superreicher“ würden gezielt zur Schwächung der Demokratie genutzt.
Die Grundhaltung der AfD sei mit den Werten der christlichen Kirchen nicht vereinbar, betonte Latzel. Die Demokratie müsse sich wehrhaft zeigen, dazu „sollte man alle Instrumente bedenken“. Das könnte ein Parteiverbot oder ein Ausschluss von staatlicher Finanzierung sein, dies sei Sache von Fachleuten.

Eigenständige und rechtssichere Beteiligung für junge Menschen

Die Landessynode hat das Kinder- und Jugendvertretungsgesetz beschlossen. Damit wird die Beteiligung von jungen Menschen in Kirchengemeinden, Kirchenkreisen und in der Landeskirche gestärkt.
Die Kinder- und Jugendvertretung hat dabei die Funktion des kommunikativen Zusammenwirkens mit dem jeweiligen Leitungsorgan zur Förderung der Arbeit mit jungen Menschen. Das Gesetz verfolgt das Ziel, Gestaltungsmöglichkeiten und Stimmen junger Menschen in der Kirche zu stärken, indem ihnen ein hoher Grad an Mitbestimmung eröffnet wird.

Info: Die Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland

Die Landessynode ist das oberste Organ der rheinischen Kirche, die sich mit ihren 576 Gemeinden und 37 Kirchenkreisen über Teile von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland erstreckt. Mehr zur letzten Tagung der Landessynode finden Sie hier.